Wem würden Sie in dem folgenden Fall Recht geben?

Was war geschehen?

Horst kaufte vom Händler Karl einem über neun Jahre alten gebrauchten Peugeot 307 CC mit einer Laufleistung von 84.820 km zu einem Preis von 5650 €. Der schriftliche Kaufvertrag wurde im Januar 2014 abgeschlossen. Unter der Überschrift „sonstige Vereinbarungen“ war die Aussage „TÜV/AU neu“ zu finden. Noch im Januar wurde das Fahrzeug beim TÜV vorgeführt. Beanstandungen konnten dem TÜV Berichten nicht entnommen werden. Drei Tage danach übernahm Horst das Fahrzeug. In der Folgezeit machte Horst gegenüber Karl mehrere Mängel am Fahrzeug geltend. Unter anderem beschwerte er sich über eine starke Geräuschentwicklung aus dem Bereich des Auspuffs. Daraufhin führte Karl am Mittel- und am Endschalldämpfer kostenlose Schweißarbeiten durch. Trotzdem erklärte Horst durch seine Prozessbevollmächtigten im Dezember 2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die von Horst durchgeführten Schweißarbeiten wären nicht geeignet gewesen, um den Mangel am Auspuff zu beheben.

Da Karl das Fahrzeug nicht zurücknehmen und auch den Kaufpreis nicht zurückzahlen will, hat Horst Klage erhoben. Er verlangt weiterhin von Karl die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises und die Rücknahme des Fahrzeugs. Zuletzt führte Karl nur noch die mangelhafte Auspuffanlage als Grund für die Rückabwicklung des Kaufvertrages an.

Würden Sie Karl dazu verurteilen, den Wagen zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten?

Verschleißteile sind von der Gewährleistung ausgenommen?

Der Bundesgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall dem Verkäufer Recht gegeben (09.09.2020, VIII ZR 150/18). Die Begründung kann kurz und knapp wie folgt zusammengefasst werden:

Altersgemäßer Verschleiß begründet bei einem Gebrauchtwagen keinen Mangel im rechtlichen Sinn.

Das hört sich auf den ersten Blick erschreckend an. Man könnte meinen, dass der Bundesgerichtshof damit die Sachmängelhaftung bei Gebrauchtwagen, die ein Privatmann von einem gewerblichen Verkäufer kauft, vollständig angeschafft hat. Ganz so schlimm ist es jedoch nicht.

Wer schreibt, der bleibt!

Wie häufig, fanden sich in dem schriftlichen Kaufvertrag nur wenige Angaben zum vereinbarten Zustand des Fahrzeugs. Sollten Horst und Karl bestimmte Tatsachen vor dem Abschluss des Kaufvertrags besprochen haben, dann haben sie dies nicht im Kaufvertrag festgehalten.
Die Tatsache, dass im Kaufvertrag die Passage „TÜV/AU neu“ zu finden war, führte nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung, aufgrund derer ausgeschlossen war, dass Verschleißteile während der Laufzeit der Gewährleistungsfrist nicht ihr Lebensende erreichen. Vielmehr muss der Käufer eines älteren Gebrauchtwagens damit rechnen, das die typischen Verschleißteile auch kurze Zeit nach der Übernahme des Fahrzeugs ausgetauscht werden müssen. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich um sicherheitsrelevante Teile handelt. Bei diesen kann der Käufer erwarten, dass er vom Verkäufer darauf hingewiesen wird, wenn diese kurz vor ihrem Lebensende stehen. Allerdings darf der Käufer in diesen Fällen auch erwarten, dass sich ein entsprechender Hinweis im Protokoll der TÜV-Abnahme finden lässt, wenn diese zeitnah vor der Übergabe stattgefunden hat.


Kommt es dem Käufer eines Gebrauchtwagens also darauf an, dass er in absehbarer Zeit keinerlei größeren Reparaturen vor der Brust hat, so muss er dies im Kaufvertrag ausdrücklich festhalten. Im Regelfall wird es nicht ausreichen, wenn während des Verkaufsgesprächs allgemein darüber gesprochen wurde, aber ansonsten im Kaufvertrag dazu keine schriftlichen Anmerkungen zu finden sind. Denn dann wird es dem Käufer regelmäßig nicht gelingen zu beweisen, dass die Parteien des Vertrages tatsächlich über diese Umstände gesprochen haben.

Hinsichtlich nicht sicherheitsrelevante Teile führt der Bundesgerichtshof aus, dass insbesondere nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufen nicht ungewöhnlicher Verschleiß nicht als Sachmangel einzustufen ist. Das soll wohl nicht bedeuten, dass der Verkäufer auf einen für ihn erkennbaren Verschleiß nicht hinweisen muss. Wenn man jedoch bedenkt, dass auch ein professioneller Verkäufer nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur eine allgemeine Sichtprüfung durchzuführen hat, dann wird es einem Käufer schwer fallen den Nachweis zu führen, dass der Verkäufer das Erreichen der Verschleißgrenze im Zeitpunkt der Übergabe kannte. Ohne diesen Nachweis kann er jedoch keinerlei Ansprüche gegenüber dem Verkäufer geltend machen.

Durch dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof auch klargestellt, dass ein Auspuff aus seiner Sicht kein sicherheitsrelevantes Bauteil eines Fahrzeugs ist.

Beweislastumkehr innerhalb der ersten 6 Monate

Beim sogenannten Verbrauchsgüterkauf (der Käufer ist eine Privatperson, der Verkäufer ist ein Händler) gilt innerhalb der ersten 6 Monate zu Gunsten des Käufers eine Beweislastumkehr (§ 477 BGB). Das bedeutet, dass der Käufer dem Verkäufer nur einen Mangel anzeigen muss. Kann er nachweisen, dass er den Mangel innerhalb der ersten 6 Monate nach der Übernahme des Kaufgegenstandes angezeigt hat, dann muss der Verkäufer beweisen, dass es entweder gar keinen Mangel gab oder der vom Käufer angezeigte Mangel erst nach der Übergabe des Kaufgegenstandes entstanden ist.

Im vorliegenden Fall hatte Horst gegenüber Karl zwar innerhalb der ersten 6 Monate nach der Übergabe des Fahrzeugs Mängel am Auspuff geltend gemacht. Dies reichte aus Sicht des Bundesgerichtshofs jedoch nicht aus um nachzuweisen, dass im Zeitpunkt der Übergabe bereits die Verschleißgrenze erreicht worden und deshalb Karl zur Beseitigung des Mangels verpflichtet war. Denn durch das im Prozess eingeholte Gutachten konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass im Zeitpunkt der Übergabe ein Austausch der Auspuffanlage notwendig war. Deshalb ist der Bundesgerichtshof zugunsten von Karl nur von einem starken Verschleiß in Form von starken Rosterscheinungen am Auspuff ausgegangen. Es war jedoch nicht bewiesen worden, dass der Austausch der Auspuffanlage oder eines Teils davon bereits im Zeitpunkt der Übergabe notwendig war.

Genau diese Überlegungen des Bundesgerichtshofs sind zu kritisieren. Denn eigentlich hätte es dem Verkäufer oblegen nachzuweisen, dass gerade keine Durchrostung der Auspuffanlage im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen hat. Hier ganz allgemein aufgrund des Alters und der Beschreibung des Mangels davon auszugehen, dass ein Austauschen nicht notwendig war, ist eigentlich mit der vorgenannten Beweislastumkehr nicht Recht in Einklang zu bringen. Man wird abwarten müssen, wie sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diesbezüglich entwickeln wird. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof auch noch hinsichtlich anderer Verschleißteil die Möglichkeit haben wird, die vorgenannte Rechtsprechung zu verfeinern.

Fazit

Dieses Urteil stärkt die Position von Gebrauchtwagenhändlern. Denn gerade die Frage, ob die gesetzliche Gewährleistung den Gebrauchtwagenhändler im Fall eines Verbrauchervertrags (B2C) auch zur Erneuerung von Verschleißteilen verpflichtet, wird in verschiedensten Konstellationen schon seit Jahren diskutiert. Derzeit wird man davon ausgehen müssen, dass nicht sicherheitsrelevante Verschleißteile von der gesetzlichen Gewährleistung weitestgehend ausgeschlossen sind.

Will der Käufer eines Gebrauchtwagens seine Position verbessern, dann sollten alle für ihn relevanten Dinge in den schriftlichen Kaufvertrag aufgenommen werden. Darüber hinaus bietet es sich an, das Fahrzeug vor dem Abschluss des Kaufvertrags selbst beim „TÜV“ gründlich durchchecken zu lassen, um so unliebsame Überraschungen, soweit diese bei einer übliche Hauptuntersuchung auffallen würden, zu vermeiden.

Selm, den 16.02.2021
Kai Riefenstahl

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