Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen hat für Selbständige und Unternehmen eine hohe Priorität. Doch wie kann ein Unternehmen seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in einer Gerichtsverhandlung schützen?

In zivilrechtlichen Auseinandersetzungen gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 169 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz, kurz GVG). Somit steht der Inhaber von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren vor dem Problem vielleicht einen Teil seiner Geschäftsgeheimnisse im Rahmen des Verfahrens Dritten offenbaren zu müssen, wenn er Ansprüche gegen einen Schädiger geltend machen will.

Vor diesem Hintergrund sehen § 172 Nr. 2 GVG und § 52 ArbGG Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen in solchen Konstellationen vor. Das Gericht kann dann entweder für die ganze mündliche Verhandlung oder nur für einen Teil davon die Öffentlichkeit von der Teilnahme an der Verhandlung ausschließen. Doch wann liegen diese Ausnahmevoraussetzungen vor?

Was war geschehen?
Angela forderte von ihrem ehemaligen Arbeitnehmer Horst (dem Beklagten) Auskünfte darüber, an wen er Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unbefugt weitergegeben hat. Darüber hinaus wollte sie Schadensersatzansprüche gegen Horst geltend machen.
Um zu verhindern, dass ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch die mündliche Verhandlung jedermann zugänglich gemacht werden, beantragte Angela den Ausschluss der Öffentlichkeit. Ihren Antrag begründete sie unter anderem damit, dass aus ihrer Sicht nicht nur chemische Formeln und Anlagenbauteile als Geschäftsgeheimnisse anzusehen seien. Vielmehr wäre auch schon das Wissen, dass Angela das Opfer eines Verrats von Geschäftsgeheimnissen geworden war und welche konkreten Produkte davon betroffen waren, als Geschäftsgeheimnis zu werten.
Gleiches gelte auch für die Tatsache, dass Angela weitere Klageverfahren gegen weitere Verletzer ihrer Geschäftsgeheimnisse betreibe. Hier sei insbesondere die Tatsache, gegen wen sich diese Verfahren richten und worauf sich diese Verfahren inhaltlich beziehen, ebenfalls als Information von erheblichem wirtschaftlichen Interesse zu werten. So dass auch diesbezüglich ein Ausschluss der Öffentlichkeit angezeigt wäre.

Das Berufungsgericht gab diesem Antrag teilweise statt und begründete ihn auszugsweise wie folgt:

„Die Öffentlichkeit wird von der mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2018 ausgeschlossen, soweit der Inhalt der nach Behauptung der Klägerin vom Beklagten an Dritte Personen weitergegebenen Dateien (Anlagen …) sowie der Inhalt der nach der Behauptung der Klägerin auf im Eigentum des Beklagten stehender Hardware vorgefundener Dateien (Anlagen …) zu erörtern ist. Im Übrigen wird der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit und Verhängung von Schweigegeboten zurückgewiesen.“

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Deshalb begehrte Horst die Zulassung der Revision mit der Begründung, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit vom Berufungsgericht in nicht hinzunehmender Weise beeinträchtigt worden sei.

Hätten Sie ebenso wie das Berufungsgericht entschieden?

Es reicht aus, wenn die Möglichkeit besteht, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zur Sprache kommen können!
Der obige Sachverhalt ist an eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2019 (8 AZN 809/18) angelehnt. Danach ist die Beschwerde von Horst gegen die Nichtzulassung der Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass das Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft gehandelt hat, als es für die Teile der mündlichen Verhandlung, in denen damit zu rechnen war, dass darin Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesprochen werden, die Öffentlichkeit ausgeschlossen hat. In diesem Zusammenhang betont das Bundesarbeitsgericht, dass in bestimmten Fällen sogar eine Reduzierung des Ermessens auf null gegeben sein kann. Davon ist wohl immer dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung mit der Erörterung von Umständen zu rechnen ist, die in den Anwendungsbereich von § 52 Satz 2 ArbGG und/oder § 172 Abs. 2 GVG fallen. Insofern ist es auch nicht von Bedeutung, ob tatsächlich in dem Verfahrensabschnitt, in dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse besprochen werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob im Rahmen einer Prognoseentscheidung damit zu rechnen war, dass die von einer Partei des Rechtsstreits benannten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse voraussichtlich auch inhaltlich angesprochen werden.

Fazit
Leider musste das Bundesarbeitsgericht zu den eigentlich spannenden Fragen, ob Informationen darüber, dass jemand Opfer eines Geschäftsgeheimnisverrats geworden ist, um welche Produkte es dabei ging und welche Personen als potentielle Verletzer in Betracht kamen, als schutzwürdige Interessen im Sinne von § 172 Abs. 2 GVG anzusehen sind, nicht Stellung nehmen. Dies wäre nur notwendig gewesen, wenn auch die klagende Firma (Angela) den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, der eben nur für einen Teil der mündlichen Verhandlung einen Ausschluss der Öffentlichkeit vorsah, mit einem Rechtsmittel angegriffen hätte.

Angela hat ihr „eigentliches Ziel“ nicht erreicht. Die Tatsache, dass sie ein potentielles Opfer eines Geschäftsgeheimnisverrats geworden ist, ist sowohl im Rahmen der mündlichen Verhandlung als auch durch die vom Landesarbeitsgericht herausgegebene Pressemitteilung bekannt geworden. Deshalb müssen betroffene Firmen weiterhin davon ausgehen, dass sie nicht ohne weiteres das Bekanntwerden entsprechender Vorgänge in Gänze verhindern können.

Im Übrigen stellen sowohl die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf als auch die des Bundesarbeitsgerichts keine Überraschung dar. Wenn eine vom Geschäftsgeheimnisverrat betroffene Firma schlüssig darlegt, dass entsprechende Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Rahmen einer Gerichtsverhandlung zu besprechen sind, dann ist dem Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit für den Teil der mündlichen Verhandlung, der sich genau mit diesen Geheimnissen beschäftigt, unzweifelhaft stattzugeben.

Selm, den 11.03.2021
Kai Riefenstahl

Foto von Stefan Steinbauer bei unsplash