Stellen Sie sich vor Sie wären Richter*in. Wie hätten Sie in dem nachfolgenden Fall entschieden?

Was war geschehen?

Angela hat von Horst eine Wohnung angemietet. Schon seit geraumer Zeit gibt es Spannungen zwischen Angela und Horst. Im August 2018 kündigt Angela dann das Mietverhältnis mit Horst fristlos, nachdem dieser ohne sie darüber zu informieren und ohne ihr Einverständnis einzuholen, Handwerker auf ihren Balkon geschickt hat. Sie erwirbt danach ein Einfamilienhaus. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem Sie in dem Einfamilienhaus einziehen konnte, hat sie sich eine Ersatzmietwohnung gesucht. Alle Möbel, die sie nicht in der neuen Wohnung unterbringen konnte, hat sie einlagern lassen. Darüber hinaus sind Kosten für die Anpassung der vorhandenen Einbauküche entstanden.

Horst möchte von Angela Schadenersatz wegen der aus seiner Sicht unberechtigten fristlosen Kündigung und er verklagt Angela deswegen. Im Wege der Widerklage macht Angela Maklerkosten für den Erwerb des Hauses, Einlagerungskosten, Kosten für die Übergangsunterkunft abzüglich der ersparten Miete sowie die Kosten des Umbaus der Einbauküche geltend.

Würden Sie der Klage von Horst stattgeben und ihm Schadenersatz wegen der vermeintlich unberechtigten Kündigung zusprechen (entgangene Mieteinnahmen)?

Oder würden Sie der Widerklage von Angela entsprechen und Horst dazu verurteilen, Angela die Maklerkosten für den Erwerb des Hauses, die Umzugs- und Einlagerungskosten, die Kosten der Übergangsunterkunft sowie die Umbaukosten für die Einbauküche zu ersetzen?

Kündigt ein Mieter berechtigt außerordentlich das Mietverhältnis, dann ist der Vermieter schadenersatzpflichtig!

Ein vergleichbarer Sachverhalt wurde vom Bundesgerichtshof am 9. Dezember 2020 (VIII ZR 371/18) entschieden. Da dem Bundesgerichtshof noch einige Informationen fehlten, konnte er in dem Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Er hat jedoch einige Maßgaben aufgestellt, die das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben wird.
Danach würde im oben genannten Fall Horst leer ausgehen und Angela würde von Horst zumindest teilweise die Umzugs- und Einlagerungskosten, die Kosten der Übergangsunterkunft sowie die Umbaukosten für die Einbauküche ersetzt bekommen.

Denn der Bundesgerichtshof hat erneut klargestellt, dass der Vermieter Schadenersatz leisten muss, wenn ein Mieter aufgrund eines Fehlverhaltens des Vermieters das Mietverhältnis berechtigt außerordentlich kündigt. Unbefugtes Betreten der vermieteten Liegenschaft, insbesondere wenn dies entgegen des offenkundigen Wunsches des Mieters geschieht, stellt immer eine Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Das unbefugte Betreten des Balkons durch vom Vermieter beauftragte Handwerker stellte also eine solche Pflichtverletzung dar.

Bei den Maklerkosten kommt es darauf an

Hätte Angela in unserem Beispielsfall nicht Eigentum erworben, sondern sich nur eine andere Mietwohnung gesucht, dann wären die Maklerkosten unzweifelhaft zu ersetzen gewesen. Es hätte allenfalls die Frage diskutiert werden können, ob die Maklerkosten der Höhe nach angemessen waren. Die Maklerkosten für den Erwerb des Eigenheims sind aber in keinem Fall von Horst zu ersetzen.

Das Berufungsgericht wollte in diesem Zusammenhang noch darauf abstellen, dass die Entfernung zwischen alter Wohnung und dem neuen Heim eine Rolle spiele. Dieser Annahme hat der Bundesgerichtshof jedoch eine Absage erteilt. Ein solcher Umstand kann allenfalls bei der Höhe der vom Vermieter zu übernehmenden Kosten eine Rolle spielen. Hinsichtlich etwaiger Maklerkosten wird diesem Umstand jedoch regelmäßig keinerlei Relevanz zukommen.

Umzugskosten, Lagerkosten etc.

Die Mehrkosten einer Übergangsunterkunft, die Einlagerungskosten, die Kosten des Umzuges und die Kosten des Umbaus der Einbauküche sind in jeden Fall ersatzfähige Kosten. Auch hier kann es nur darum gehen, ob die vom Mieter in Ansatz gebrachten Kosten der Höhe nach in Ordnung gehen. Diesbezüglich betont der Bundesgerichtshof wieder einmal, dass es bei der Frage, ob die Kosten der Höhe nach angemessen waren, um eine Einzelfallbetrachtung geht. Bei einigen der vorgenannten Schadenspositionen kann jedenfalls die Distanz zwischen der alten Wohnung und dem neuen Heim eine Rolle spielen.

Fazit

Sollte sich ein Vermieter dazu hinreißen lassen unbefugt die von ihm vermieteten Räumlichkeiten zu betreten, dann läuft er Gefahr, dass der Mieter zu Recht außerordentlich den Mietvertrag kündigt. Er setzt sich dadurch dem Risiko aus, nicht unbeträchtliche Kosten für den Umzug, Mehrkosten der neuen Bleibe, Lagerkosten und auch Anpassungskosten von eingebrachtem Mobiliar übernehmen zu müssen. Der Vermieter sollte dann zumindest über eine außergerichtliche Einigung nachdenken. Denn im Zweifel wird ein gerichtliches Verfahren die Nerven beider Parteien über einen nicht unerheblichen Zeitraum strapazieren und das Risiko zusätzliche Kosten zu produzieren, ist auf Seiten des Vermieters deutlich höher als beim Mieter.

Selm, den 11.02.2021
Kai Riefenstahl

Foto von Jose Alonso by unsplash